Initiative Nippeser Edelweißpiraten
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Nachruf auf Gerhart Baum

Mit Respekt und Trauer nehmen wir Abschied von Dr. Gerhart Baum. Er war einer der letzten großen Liberalen, die sich konsequent für Demokratie, Menschenrechte und soziale Grundrechte einsetzten. 

Gerhart Baum wurde 1932 in Dresden geboren. Nach der Bombardierung der Stadt vor 80 Jahren floh er mit seiner Mutter, einer gebürtigen Moskauerin, und seinen sechsjährigen Zwillingsschwestern an den Tegernsee. 1950 zogen er und seine Familie nach Köln um. Als Jugendlicher hat er die Nazizeit erlebt, was vermutlich auch dazu führte, dass er sich später für die Jugendlichen einsetzte, die sich in der Nazizeit widersetzt hatten und dafür lange als Kriminelle angesehen wurden. 

Gemeinsam mit Peter Finkelgrün hat er sich für die Edelweißpiraten und ihre Anerkennung als widerständige Menschen eingesetzt. So war es für ihn keine Frage, zu der Veranstaltung der „Initiative Nippeser Edelweißpiraten“ im Leonardo-da-Vinci Gymnasium, seiner alten Schule, zu kommen. Auf der außerordentlich gut besuchten Veranstaltung „Edelweiß statt Hakenkreuz“ im Mai 2023 würdigten Baum und Finkelgrün auch die jungen Menschen, die sich auf dem Leipziger Platz trafen und gegen die Nazis stritten und sangen.

Gerhart Baum war Politiker im Kölner Stadtrat, 1978-1982 Bundesinnenminister. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag mit 62 Jahren widmete er sich der Menschenrechtsarbeit u.a. als UN-Beauftragter im Sudan. Sehr erfolgreich setzte er sich als Rechtsanwalt, unter anderem auch für die sowjetischen Zwangsarbeiter der NS-Zeit gegen die damals ablehnende Haltung der Bundesregierung ein.

In seinem letzten Buch „Menschenrechte – Ein Appell“ rief er dazu auf, sich gegen die „Vernichtung demokratischer Strukturen in der Welt“ einzusetzen sowie für „Menschenrechte, Frieden und Freiheit zu kämpfen“.

Ein Appell, der nach der Rede des US-Vizepräsidenten auf der Münchener Sicherheitskonferenz aktueller denn je ist. Wir danken Gerhart Baum für seinen jahrelangen Kampf und werden ihn in bester Erinnerung behalten.

Heinrich Bleicher, für den Vorstand der Initiative

 

Willkommen

Das „tausendjährige Reich“ bestand zwar nur zwölf Jahre lang. Doch fast bis zum Ende trug eine sehr große Mehrheit in Deutschland die Macht der Nazis. Der Partei- und Staatsapparat entrechtete und vernichtete Menschen nicht nur mit jüdischem Hintergrund, sondern steckte auch solche mit kommunistischem, sozialdemokratischem, gewerkschaftlichem und bürgerlich-demokratischem Hintergrund in die KZs, trieb Menschen ins Exil und zerschlug mit brutaler Macht jedweden Widerstand.

Alle Deutschen waren gehalten, sich aktiv in die Mühlen dieses Unrechtsstaats einzugliedern. Ab 1933 waren nur Hitlerjugend /BDM zugelassene Jugendverbände. Wer da nicht mitmachte, wurde bald verdächtig.

Wenn sich Jugendliche frei und „unorganisiert“ auf der Straße und in Parks trafen, wenn sie Ausflüge machten, musizierten und Lieder sangen, die den Naziwahn mehr oder weniger ausdrücklich angriffen, und das obendrein nicht nach Geschlechtern getrennt, dann war das aus Sicht der Nazis bereits Widerstand.

Auch ohne ausdrücklich hochpolitisches Programm, auch ohne hierarchische Strukturen mussten die unangepassten Jugendlichen lernen, ihre Treffen und Fahrten konspirativ abzusprechen und durchzuführen. Sie nannten sich Edelweißpiraten, Navajos und anderswie oder gaben sich keinen Namen. Heute fassen wir die teilweise aus der bündischen Jugend stammende Szene meist als Edelweißpiraten zusammen.

Bis zu hundert Jungen und Mädchen trafen sich in Köln-Nippes am Leipziger Platz. Ihr Drang nach kultureller Freiheit und sozialer Gerechtigkeit war so groß, dass sie aus Privatheit und halber Illegalität heraus diesen und andere Plätze/Orte aufsuchten. Das war sehr gefährlich. Allein schon, wenn Jungens sich die Haare zu lang wachsen ließen oder wenn sie die freien Lieder sangen.

Die aktivsten unter ihnen organisierten sich darüber hinaus bei Treffen in Nippeser Kneipen, nannten sich ausdrücklich Edelweißpiraten, gaben sich sogar eine Satzung und Bedingungen für die Mitgliedschaft. Nicht, weil sie Vereinsmeier waren, sondern, um sich vor Nazispitzeln zu schützen. Auch in Köln, denn Köln war keineswegs eine besonders nazifeindliche Stadt, wie unterschiedlichste Menschen nach dem Krieg sagten.

Aus unserer Sicht rechtfertigt dies ein Edelweißpiratendenkmal für den Leipziger Platz. Die Edelweißpiraten haben es verdient, dass man ihrer in Ehrenfeld als Opfer gedenkt, wo 13 von ihnen noch im November 1944 gehenkt wurden. Aber auch auf dem Leipziger Platz, der für die Lebendigkeit und Unangepasstheit ihres Lebens steht, für eine Kultur der Freiheit und die Freiheit der Kultur.

Deshalb haben wir eine Initiative für ein Edelweißpiratendenkmal gegründet.
Wir tragen dazu bei, dass ein Denkmal errichtet wird, das an die jungen Menschen erinnert, die sich nicht anpassen wollten und von denen einige auch widerständig waren trotz des allgegenwärtigen Naziterrors. Wir wollen kein „alternatives Heldendenkmal“, sondern eines, das zeigt, wie schwer es war, die Angst zu überwinden, sich nicht unterzuordnen und die Klampfe herauszuholen.

Über die Ausgestaltung hat eine Jury im September 2024 nach vorher festgelegten Kriterien entschieden.

Denkmal

So soll das fertige Edelweißpiratendenkmal aussehen. 

 

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